Das Mädchen und die Blumen.
Das Mädchen.
Süße Blumen, seyd willkommen
In des Jahres goldner Zeit,
Ach, ihr seyd so spät gekommen,
Und der Sommer ist nicht weit.
Könnt ihr meine Stimme hören,
Könnt ihr meine Blicke sehn?
Sagt mir, welche will mich lehren
Euer leises Wort verstehn?
Sagt mir, welche soll ich wählen
Zur Gespielin in dem Mai?
Welche will mir gern erzählen,
Wo die schöne Heimath sey?
Wähle mich ! mit reinem Kleide
Schmückte mich der Mutter Hand,
Unschuld wurde mein Geschmeide,
Und so bin ich dir verwandt.
Das Veilchen.
Wähle mich, ein süß VerlangenWohnt in meinem zarten Blau;
Doch es kühlt die warmen Wangen
Freundlich mir der reine Thau.
Die Rose.
Wähle^mich, denn treu behütenLehr' ich dich durch heil'ge Scham
Deiner Jugend keusche Blüten
Ohne Reue, ohne Gram.
Der Rosmarin.
Wähle mich, denn hoffend bindetMich die junge Braut ins Haar;
Wähle mich, denn hoffend windet
Mich die Trauer um die Bahr.
Das Mädchen.
O ihr Freundlichen, umgebenSollt ihr alle meinen Mai,
Sollt mir sagen, was im Leben,
Was im Tod das Schönste sey!
Aloys Schreiber
Quelle: Taschenbuch der Blumensprache von J.M. Braun, Januar 1843
Fotos: Rose, Lilie pixabay, Rosmarin, Veilchen Leo Michels
Aloys Wilhelm Schreiber, geboren am 12. Oktober 1761 in Bühl (Baden); gestorben am 21. Oktober 1841 in Baden-Baden Oos. Schreiber war Lehrer und Professor der Ästhetik, Hofhistoriker, Schriftsteller und Reisebuchautor.
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