Foto: Leo Michels |
Jasmin.
Liebenswürdigkeit.
Von Charlotte de Latour
Es giebt Personen, die, durch ihre glückliche Gemüthsstimmung, nur dazu geboren zu seyn scheinen, um das Band der Geselligkeit zu schürzen : sie haben in ihrem ganzen Wesen so viel Geschmeidigkeit und Anmuth, daß sie sich in allen Verhältnissen zu finden wissen, sich jedem Geschmacke anschmiegen und jedes fremde Verdienst noch mehr an's Licht ziehen. Sie sind so gefällig, daß sie allem, was ein Anderer spricht, die größte Aufmerksamkeit schenken, sich selbst vergessen, um Andern nützlich zu werden, schweigen um Andere zu hören; sie schmeicheln Niemanden, trachten nach nichts, beleidigen niemals; ihr Verdienst ist eine Gabe des Himmels, wie die eines hübschen Aeußern; kurz, sie gefallen, weil die Natur sie liebenswürdig gemacht hat.Der Jasmin ist ein sehr passendes Sinnbild einer solchen Liebenswürdigkeit. Als er um das Jahr 1560 durch spanische Schifffahrer aus Indien nach Europa gebracht wurde, bewunderte man die Schmiegsamkeit seiner Zweige, den sanften Glanz seiner gesternten Blumen, und man glaubt, daß man die Fortpflanzung einer so zierlichen und zarrgeformten Blume nur in heißen Treibhäusern bewirken könne. Sie gedieh darin; man behandelte sie nun in kühlern Gewächshäusern, sie schoß hier bewundernswerth empor; man wagte es endlich, sie in's Freie zu pflanzen, wo sie jetzt, ohne alle Pflege, dem strengsten Winter trotzt.
Häufig sieht man den Jasmin, wie er, nach allen Richtungen, die man ihm giebt, seine geschmeidigen Zweige willig ausstreckt. Er schießt, an Stäben sich rankend empor, wölbt sich zu Lauben in allen Gestalten, und breitet ein freundliches Grün über Terrassen und Mauern aus. Früher, sich unter der Scheere des eigensinnigen Gärtners fügend, zeigte er auf einen schwachen Stamm, die Gestalt eines jungen Pommeranzenbaums. Unter allen Formen verstreut er eine reiche Ernte von Blüthen, wodurch die Luft erfrischt und mit Balsamdüften geschwängert wird. Um seine zarten und freundlichen Blumen gaukelt der flüchtige Schmetterling, und die thätige Biene saugt aus ihnen reichlich den süßesten und besten Honig. Der liebende Schäfer vereint den Jasmin mit der Rose um damit den Busen der Schäferin zu schmücken, und eben so krönet er, zu einer Girlande gewunden, die Stirn einer Fürstin.
Ehe der Jasmin nach Frankreich verpflanzt wurde, war er schon in Italien einheimisch. Ein Herzog von Toscana befand sich zuerst in seinem Besitz. Aus Neid, wollte er sich ausschließlich dieses Besitzes erfreuen. Er verbot daher seinem Gärtner, davon nicht einen Zweig, eine Blume wegzugeben. Der Letztere würde diesem Befehl auch wahrscheinlich treu nachgekommen seyn, wäre er nicht verliebt gewesen. Aber an dem Geburtstage seiner Geliebten überreichte er dieser einen Blumenstrauß, und um solchem einen höhern Werth zu geben, zierte er ihn mit einem Zweig des seltnen Jasmin. Das junge Mädchen, um diese fremde Pflanze recht lange unverwelkt zu erhalten, setzte sie in frische Erde; der Zweig blieb das ganze Jahr über grün, und am folgenden Frühling schoß er üppig empor und trug Blüthen. Ihr Liebhaber lehrte sie, wie sie dieses fremde Gewächs behandeln müsse, und es wucherte reichlich unter ihrer sorgsamen Hand.
Sie war arm, der Geliebte auch nur in dürftigen Umständen, und ihre bedächtige Mutter verweigerte ihre Zustimmung zu einer Verbindung, wo bald die Armuth bei Beiden eingekehrt seyn würde. Doch Liebe ist sinnreich und thut oft Wunder; das Mädchen wußte ihre Gunst zu benutzen. Sie verkaufte Ableger von ihrem Jasmin, und wurde so reichlich dafür bezahlt, daß sie dadurch eine für sie hinlängliche Summe Geldes sammeln konnte, womit nun ihres Geliebten und ihre innigsten Wünsche erfüllt wurden.
Die Jungfrauen in Toscana, zur Erinnerung an dieses Ereigniß, tragen noch immer an ihrem Hochzeittage einen Strauß von Jasmin, und es ist dort zum Sprichwort? geworden: „Ein Mädchen, das einen Jasminstrauß zu tragen verdient, ist reich genug, einen Mann glücklich zu machen."
So hat also die Hand der Liebe zu, erst den Jasmin weiter verpflanzt, und möge er überall an dem hoffenden Busen freundlicher Bräute ihre Erwartungen erfüllen.
(Quelle: Charlotte de Latour "Die Blumensprache oder Symbolik des Pflanzenreichs")
1 Kommentar:
Danke für die wundervolle Geschichte. Sie passt in mein jetziges Bild des Bewusstsein. Jasmin wird seit einigen Tagen mehrmals in direkter Verbindung benannt und da wurde ich stutzig und lies meiner Leidenschaft von Forschen den Willen. Ein Gleichnis um mich selbst zu erkennen. Blessings and much Love. ELKE - SWEET LAUGHING WATER
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