Foto Leo Michels |
Trespe. Laster.
Die Trespe gleicht dem Laster, ihr Stiel dem des Walzens; sie wächst unter den nützlichsten Getreidearten. Der kluge, fleißige Landmann sucht sie vorsichtig auszujäten, um nicht zugleich den Sprößling einer guten Saat zu vernichten. So muß ein verständiger Lehrer mit vieler Geduld sich bemühen, die bösen Neigungen, die in dem Herzen seines Zöglings Wurzel geschlagen haben, auszurotten; und sich sorgfältig hüten, nicht auch einen Keim der Tugend zu ersticken, wenn er glaubt, den eines Lasters vernichtet zu haben.
Duguesclins Mutter beklagte sich darüber, daß ihr Sohn täglich, mit Staub bedeckt und oft verletzt in das Schloß zu ihr zurückkehrte. Einst als sie im Begriff war, ihn dafür zu strafen, sagte eine gutmüthige Nonne zu ihr: „Seyn Sie ja behutsam mit Ihrer Züchtigung; es wird eine Zeit kommen, wo diese Fehler, worüber Sie so unzufrieden sind, Ihrer Familie zum Ruhm und dem Vaterlande zum Heil gereichen werden."
Für diese eine Mutter, die auf solche Art einen Mißgriff macht, giebt es sehr viele, die selbst die Trespen der bösen Angewohnheiten und der Untugenden in den Herzen ihrer Kinder hegen und pflegen, und es nur dann erst gewahr werden, wenn sie zur Erntezeit zu tiefe Wurzeln geschlagen haben.
Quelle: Charlotte de Latour "Die Blumensprache, oder Symbolik des Pflanzenreichs."
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen